Am Tag vor dem alles entscheidenden Match ließ Angelique Kerber es überwiegend ruhig angehen. Lediglich “eine halbe bis dreiviertel Stunde” wollte sie trainieren, “Singapur ein bisschen genießen”, danach “an den Pool und runterkommen”. Zwei Dreisatz-Matches hat Kerber beim Saisonfinale der WTA-Tour bereits hinter sich, sollte sie nun gegen French-Open-Finalistin Sloane Stephens (13.30 Uhr/DAZN) in zwei Sätzen gewinnen, hätte sie den Platz im Halbfinale sicher.
Werden es wieder drei Sätze, wird der Rechenschieber eine wichtige Rolle spielen. Das Szenario ist kompliziert, vor dem letzten Spieltag der Roten Gruppe dürfen noch alle vier Spielerinnen auf das Halbfinale hoffen. Gewinnt Kerber gegen Stephens und ihre Erstrunden-Bezwingerin Kiki Bertens gegen US-Open-Siegerin Naomi Osaka in drei Sätzen, entscheidet sich die Reihenfolge zwischen Kerber, Bertens und Stephens auf Basis der Prozentzahl der gewonnenen Spiele.
Das gilt auch für den Fall, dass Stephens und Osaka in drei Sätzen gewinnen: Dann wäre Stephens Gruppensiegerin, im Kampf um Platz zwei käme zwischen Kerber, Bertens und Osaka ebenfalls die Prozentzahl der gewonnenen Spiele zum Tragen. Kerber wollte sich damit gar nicht so ausführlich beschäftigen, sondern widmete sich lieber der Regeneration. “Ein bisschen müde” sei sie, “aber mir geht es sehr gut”.
Bereits das sechste Aufeinandertreffen
Kerber fühlt sich auch ohne Trainer gut vorbereitet auf das insgesamt sechste Duell mit Sloane Stephens. Erstmals überhaupt hat sie gegen die US-Open-Siegerin von 2017 gewonnen, das war 2012 in der zweiten Runde von Indian Wells auf Hartplatz. Zuletzt hatte Stephens in diesem Jahr im Viertelfinale von Miami die Nase vorn, das Spiel der 25-Jährigen aus Florida liegt Kerber nicht so recht. “Es werden sicher lange Ballwechsel, ich muss aggressiv spielen und das Match kontrollieren”, sagte die Wimbledonsiegerin.
Sie wird wieder die Qualitäten brauchen, die sie beim Erfolg im zweiten Turniermatch gegen Osaka auspackte, als die Partie zugunsten der Japanerin zu kippen drohte. Kerber kämpfte, sie hatte einen stabilen ersten Aufschlag, wagte sich oft aus der Defensive und ging mutig auf die Punkte. “Ich habe ja auch ein kleines bisschen mehr Erfahrung als Naomi, aber sie wird in Zukunft noch oft dieses Finale spielen”, sagte Kerber über ihre neun Jahre jüngere Gegnerin.
Die nicht unerwartete Auftaktniederlage gegen Kiki Bertens hatte Kerber am Montag ziemlich getroffen, wie sie nach dem Match gegen Osaka zugab: “Ich habe eine Weile gebraucht, um mich davon zu erholen. Ich habe lange geschlafen, anschließend kurz trainiert und mich dann an den Pool gelegt.” Der gigantische Dachgarten-Pool des Marina Bay Sands Hotels in Singapur liegt exakt 191 Meter über der Erde und ist damit der höchste der Welt. Kein schlechter Ort zum Entspannen.