Thursday, October 10, 2024
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Wenn Urlaub Ein Politikum Ist

Robert Habeck vertritt heute den urlaubenden Kanzler Scholz. Der Wirtschaftsminister leitet die Kabinettssitzung. Wer, wann, wie lange, wohin – Spitzenpolitiker müssen beim Urlaub einiges beachten. Das kann auch schiefgehen.

Mal raus aus dem politischen Hamsterrad, aus der Politikblase – mal abschalten und Akkus aufladen. Spitzenpolitiker sind auch nur Menschen, die mal Urlaub brauchen. Gerade nach den zurückliegenden Wochen, in denen eine Krise die nächste jagte und politisch interessierten Menschen schon allein vom Zuschauen an der Seitenlinie schwindlig wurde. Doch für Kanzler und Mitglieder der Bundesregierung gelten bestimmte Regeln – geschriebene und ungeschriebene.

Was im Bundesministergesetz steht

Die Ministerinnen und Minister sowie auch der Bundeskanzler befinden sich in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Sie haben keinen Arbeitsvertrag und auch keinen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Das Bundesministergesetz regelt, welche Rechte und Pflichten sie haben. Von Freizeit oder Urlaub steht dort nichts. “Es gibt keinen Urlaubsanspruch für Minister. Sie sind keine normalen Arbeitnehmer”, erklärte Ulrich Battis, Ex-Verfassungsrechtler von der Humboldt Universität Berlin, im Herbst vergangenen Jahres in der “Süddeutschen Zeitung”. Ob und wann ein Minister in Urlaub fahren könne, entscheide letztlich der Bundeskanzler.

So heißt es in Paragraf 13 der Geschäftsordnung der Bundesregierung:

Jeder Bundesminister macht, bevor er den Sitz der Bundesregierung länger als 1 Tag verläßt, dem Bundeskanzler Mitteilung. Bei Abwesenheit von mehr als 3 Tagen und bei Auslandsreisen ist das Einvernehmen mit dem Bundeskanzler herzustellen.
Zur Annahme von Einladungen in das Ausland ist die Zustimmung des Bundeskanzlers erforderlich. Bevor ein Bundesminister den Sitz der Bundesregierung verläßt, gibt er dem Bundeskanzler die Anschrift an, unter der er während seiner Abwesenheit zu erreichen ist.

Urlaub machen ist also auch für Menschen mit Ministerjob erlaubt – sofern das Kanzleramt informiert ist und gegebenenfalls auch zustimmt.

Und selbst der Chef oder die Chefin brauchen mal Urlaub, auch wenn es von der Bundeskanzlerin einst hieß, sie sei “immer im Dienst”. Gleichwohl sah man Angela Merkel im Sommerurlaub beim Wandern – mal in Alpen, mal auf Ischia. Die Politik dürfte sie dabei immer im Gepäck gehabt haben, zumindest in Form des Diensthandys.

Scholz ist “kurz mal weg”

Bundeskanzler Olaf Scholz ließ durch seinen Sprecher Steffen Hebestreit wissen, dass er “ein paar Tage im befreundeten europäischen Ausland” verbringen will. In der alljährlichen Sommerpressekonferenz am 14. Juli ergänzte er selbst, dass er sich darauf freue, in Urlaub fahren zu können und “auch mal kurz weg zu sein”. Wohin genau es den Kanzler zieht, erfuhr man nicht. Was auch irgendwie verständlich ist, wenn Scholz am Urlaubsort nicht von Fotografen und anderen Medienvertretern behelligt werden will. Auch aus Sicherheitsgründen dürfte man sich hier lieber in Schweigen hüllen.

Der planschende Scharping

Wie schnell sich Urlaubsfotos als politischer Karrierekiller erweisen können, zeigt das Beispiel Rudolf Scharping. Der SPD-Politiker ist zwar nie Kanzler geworden, aber die Bilder im August 2001 vom verliebt-planschenden Verteidigungsminister im Pool auf Mallorca wurden für Scharping schnell zum Badeunfall, es folgte eine Welle der Empörung und der politische Untergang.

Die Planschbilder des Verteidigungsministers wirkten auch deshalb so verheerend, weil zu dieser Zeit die Bundeswehr gerade vor einem gefährlichen Balkan-Einsatz in Mazedonien stand und bei der Truppe an Urlaub nicht zu denken war.

Späte Rücktrittsforderungen an Anne Spiegel

Zu einer schlechten Zeit im Urlaub war auch Anne Spiegel. Die Grünen-Politikerin und damalige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz war wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 in einen vierwöchigen Frankreich-Urlaub aufgebrochen. Und sie hatte sich auch, anders als ursprünglich mitgeteilt, aus dem Urlaub nicht zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet.

Die Folge: massive Kritik und Rücktrittsforderungen, allerdings erst zeitverzögert. Die Vorwürfe holten Spiegel erst als Bundesfamilienministerin ein. In einem emotionalen Auftritt bezeichnete sie den Urlaub rückblickend als Fehler und entschuldigte sich – ohne Erfolg. Spiegel trat am 11. April 2022 zurück.

Besser ohne Social Media

Dass man im Urlaub auch mal abschalten und die Finger von Twitter, Instagram oder Facebook lassen sollte, ist eine Binsenweisheit. Sie gilt für Normalbürger genauso wie für Spitzenpolitiker. Insofern sind Karl Lauterbachs jüngste Urlaubsgrüße aus Italien ein gutes Beispiel dafür, wie man es besser nicht machen sollte. Der Bundesgesundheitsminister schrieb am 13. Juli bei Twitter:

Er berief sich in seinem Tweet auf eine Karte der Helmholtz-Klima-Initiative und Informationen der Europäischen Weltraumorganisation. Daraus geht hervor, dass sich Länder wie Italien in einer großen Hitzewelle befinden.

Mitten in der Hochsaison twitterte Italien-Urlauber Lauterbach also quasi das Ende des Urlaubslands Italien herbei – bei den italienischen Behörden stieß das naturgemäß auf wenig Begeisterung. Irritiert zeigte sich Tourismusministerin Daniela Santanchè. “Wir sind uns sicher, dass die Deutschen den Italienurlaub immer weiter schätzen werden”, ließ sie mitteilen. Und der Bürgermeister von Rimini lud Lauterbach an die Adriaküste ein.

Ein bisschen Privatsache

Immerhin weiß nun jeder, der es wissen will, dass der Gesundheitsminister in Italien urlaubt. Andere sind da zugeknöpfter. Urlaub ist für viele eben doch Privatsache. Zu “privaten Angelegenheiten des Ministers” äußere man sich nicht, ließ etwa das Presseteam von Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Anfrage der Nachrichtenagentur KNA wissen. Ähnlich handhabt es die Pressestelle von Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Der Ort sei Privatsache, aber die Grünen-Politikerin werde die ersten drei Augustwochen Urlaub machen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat ebenfalls “Ende Juli, Anfang August” angepeilt, um Urlaub mit ihrer Familie zu machen. Da sie dienstlich eh fast ständig um die halbe Welt fliegt, könnte einiges für Heimaturlaub sprechen.

Habeck vertritt Kanzler Scholz

Für Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gehört die Urlaubszeit der Familie, sagte eine Sprecherin der KNA. An diesem Mittwoch gehört Habeck aber der Politik – er leitet die Kabinettssitzung in Vertretung des urlaubenden Kanzlers.

Wer wen in der Ampel-Regierung vertritt, dafür gibt es eine amtliche Reihenfolge, die am 8. Dezember 2021 beschlossen wurde. Darin heißt es zum Beispiel:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz ist vom Bundeskanzler gemäß Artikel 69 Absatz 1 des Grundgesetzes zu seinem Stellvertreter ernannt worden.

Weiter heißt es: “Ist das nach dieser Regelung zur Vertretung berufene Mitglied der Bundesregierung ebenfalls verhindert, nimmt das in der Dienstaltersliste auf den zu Vertretenden folgende Mitglied die Vertretung wahr. Ist jedoch ein dienstjüngeres Mitglied nicht vorhanden oder nicht erreichbar, so übernimmt die Vertretung das jeweils erreichbare Mitglied mit dem gegenüber dem zu Vertretenden nächsthöheren Dienstalter.”

Berge, Meer und Frankreich

Ist der Urlaub genehmigt und die Vertretung geregelt, kann es losgehen: Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will “Richtung Süden” aufbrechen, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ihren Urlaub “im näheren europäischen Ausland” antreten, ebenso ihr Partei- und Kabinettskollege Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will nach Angaben eines Sprechers “mit ihrer Familie Zeit in den Bergen und am Wasser verbringen”. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) könnte man in den Schulferien mit ihrer Familie an der Ostsee treffen.

Auch für Verteidigungsminister Boris Pistorius steht Urlaub an. Sein Presseteam verriet wegen Sicherheitsauflagen aber nicht, wohin. Er selbst dagegen schon, zumindest das Land seiner Wahl: Nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen bekannte der SPD-Politiker, dass er “regelmäßig in Frankreich weilt” und auch in diesem Jahr wieder seinen Sommerurlaub in Frankreich verbringen werde.

Frankreich ist seit Jahren auch das bevorzugte Urlaubsziel von Verkehrsminister Volker Wissing. Der FDP-Politiker will ab Ende Juli in seinem Urlaub “wie jedes Jahr mit der Familie in die Provence fahren”, teilte eine Sprecherin mit.

Ebenfalls in den Süden Frankreichs zieht es Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin will sich dort mit ihrer Familie “von Ende Juli bis Anfang August” erholen und Kraft für die nächsten Monate sammeln. Für sie steht dann nämlich Wahlkampf an. Faeser will am 8. Oktober die Landtagswahl in Hessen gewinnen und dann Ministerpräsidentin werden. Wenn das nicht klappt, soll es beim Ministerinnenjob in Berlin bleiben.

Schottland und Hildesheim

Ein Ausreißer bei der Wahl des Urlaubsortes ist Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er plant, seinen Sommerurlaub in Schottland zu verbringen. Der FDP-Politiker habe dieses Urlaubsziel auch deshalb gewählt, weil “in diesem Jahr der 300. Geburtstag von Adam Smith gefeiert wird” und Schottland “Heimatland des Begründers der Volkswirtschaft und liberalen Philosophen” sei, so die Pressestelle des Ministers.

Zu Hause ist es doch am Schönsten – das findet man zumindest im Hause Heil. Der Bundesarbeitsminister will mit seinen Kindern und seiner Frau viel Zeit im Garten im heimischen Hildesheim verbringen. “Gerade jetzt im Sommer genießen wir die Familienzeit gern zu Hause”, ließ Hubertus Heil wissen.

Kein Urlaub in Kirgistan

Andere Länder, andere Sitten: Ganz andere Urlaubsregeln gelten in diesem Jahr im zentralasiatischen Kirgistan. “Kein einziger Minister sollte in Badeshorts am Strand liegen und sich sonnen”, teilte der Chef des mächtigen Sicherheitsdienstes GKNB und frühere Spitzenpolitiker Kamtschybek Taschijew den Kabinettsmitgliedern nach Angaben von Nachrichtenagenturen mit. “Ersparen Sie mir diesen Anblick.” Sollte der Hinweis missachtet werden, könne er “Maßnahmen ergreifen”, fügte Taschijew hinzu. “Wer Minister wird, soll arbeiten.”

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